Obwohl ich eigentlich ein sehr bewusster Mensch bin, dem Nachhaltigkeit und faire Produktion am Herzen liegt, habe ich mich trotzdem dabei ertappt bei einem Kommerzriesen zu kaufen. Wie entkomme ich mir selber und bringe Moral und Handeln ins Gleichgewicht? Die Konsumtempel reagieren mittlerweile schnell auf Trends und sind immer präsent. Vor allem wenn Kleidung zum zuhause rumgammeln sein soll, merke ich meine fehlende Bereitschaft viel Geld für sie auszugeben. Aber muss fair & nachhaltig immer gleich teuer sein? Und – wo sind diese ganzen Alternativen überhaupt? Wie sehen sie aus?
Zudem frage ich mich, was bedeutet fair und nachhaltig? Diese Begriffe sind an sich ja nicht geschützt und ein offizielles Zertifikat ist sehr kostspielig. Kleine Labels können solche Kosten kaum stemmen.
Ich habe mich auf die Suche begeben Antworten auf all diese Fragen zu finden und möchte meine Erfahrungen hier teilen.
Was ist die Ausgangslage? Vereinfacht: Wenn ich beim Kommerzriesen einkaufe, unterstütze ich häufig schlechte Arbeitsbedingungen, Raubbau an der Natur z.B. durch Materialien auf Erdölbasis wie Polyester und alle weiteren Poly…s, durch Chemikalieneinsatz bei der Einfärbung und damit Material, dass unserer Haut potenziell schaden kann.
Kaufe ich fair und nachhaltig, habe ich, was das angeht, den Kopf frei. Meine Haut wird nicht gequält, die Arbeiter auch nicht und die Natur unvergleichbar weniger beansprucht. Ich unterstütze damit also konkret die Art von Welt, in der ich leben möchte.
Der Unterschied schlägt sich gar nicht so sehr im Preis nieder, wie man vermuten mag, denn faire Labels haben oft geringere Gewinnmargen als die Kassengiganten um marktfähig zu bleiben. Den Preis kann man nicht als Messlatte für die Qualität nehmen – teuer heißt nicht gleich gut und billig nicht unbedingt schlecht. Zudem, wer ganzheitlich denkt, produziert für Langlebigkeit und nicht den Konsumwahn. Man erhält im Schnitt deutlich hochwertigere Produkte von fairen und nachhaltigeren Labels.
Globalen Problemen durch neue Wege des Konsumierens etwas entgegensetzen?
Wir haben ein Plastikproblem. In nur 25 Jahren hat sich die weltweite Produktion von Kunststoff auf 300 Millionen Tonnen pro Jahr verdreifacht. Kunststoffe verursachen gravierende Umweltprobleme. Plastik vergeht nämlich nicht, es zersetzt sich lediglich in immer kleinere Partikel – eine Plastiktüte in 25 Jahren, eine Plastikflasche in 450 Jahren, ein Fischernetz in bis zu 600 Jahren. Schockierend. Aber die Nachfrage steigt sogar. Deutschland konsumiert und produziert in Europa die meisten Kunststoffe und beheimatet einige der mächtigsten transnationalen Chemiekonzerne. Die Branche wächst, eine Lösung für das Problem gibt es nicht. Aber zrück zum Thema – was hat das mit Mode zu tun?
Es braut sich am Innovationshimmel einiges zusammen (im Positiven), mit dem Hintergrund globale Probleme wie Plastikwahnsinn in Angriff zu nehmen. Es gibt dabei verschiedene Möglichkeiten beispielsweise Biomasse als Ersatz für Plastik zu nutzen oder recyceln. Wir haben das schwedische Unternehmen Fjällräven dazu angeschrieben, da es schon immer Wert auf Fairness und Nachhaltigkeit legte und es sogar geschafft hat, sich auf dem Markt gut aufzustellen. Und tatsächlich haben sie sich mit dem Problem beschäftigt. Wir durften nicht nur ein junges Herstellungskonzept kennen lernen, sondern schon vor dem offiziellen Produktlaunch im August den neuen Re-Kånken testen. Die Fjällräven Designer haben hierfür jeden Produktionsschritt des Rucksack Klassikers Kånken hinterfragt und mit nachhaltigeren Prinzipien neu entwickelt. Das Rucksack Design ist gleich geblieben, dennoch besteht der neue Re-Kånken fast komplett aus recycelten Plastikflaschen, daher der Name. Plastikflaschen werden hierfür zu Pellets verarbeitet, aus welchen ein Garn gewonnen wird. Zum Färben wird mit weniger Chemie gearbeitet durch ein neues Verfahren, indem der Stoff nicht mehr in ein großes Becken getunkt werden muss, sondern die Farbe wird via Farbpellets gleich in den Stoff integriert. Zusätzlich wird für diesen Prozess weniger Energie verbraucht. Wir fanden den Stoff anfangs etwas steif, aber das war schnell Vergangenheit, nach 3 Wochen Nutzung empfinden wir das Material als gut ausbalanciert zwischen angenehmen Tragegefühl und Robustheit. Stoff aus recycelten Flaschen ist eine sehr kluge Idee, einem schwerwiegendem Problem etwas entgegenzusetzen.
Aber Konsum bleibt Konsum oder etwa nicht?
Auch nachhaltige Unternehmen hinterlassen meist einen ökologischen Fußabdruck, natürlich deutlich kleiner als Konzerne die weder auf Nachhaltigkeit noch Fairness achten. Es geht aber nicht nur um die Firmenpolitik, sondern auch um das eigene Konsumverhalten.
Kann ich trotz allem mit gutem Gewissen eine Shoppingqueen sein?
Tatsächlich, ja! Es gibt komplett gewissensreine Konsummöglichkeiten. Neuartige Unternehmenskonzepte wie die Kleiderei bieten z.B. Second-Hand Fashion via Abo an. Jeden Monat bekommt man dann “neue” Klamotten als Leihgabe für mindestens einen Monat – quasi ein Endloskleiderschrank. Dazu kannst du entweder selber etwas aussuchen, oder eine Stylistin der Kleiderei sucht zu dir und deinem Stil passende Klamotten heraus. Wir lieben dieses Konzept mit einer hervorragenden Ökobilanz, denn die Kleidung bleibt im Wirtschaftskreislauf ohne neue Ressourcen (abgesehen vom reinigen und Postweg) zu verbrauchen.
Wenn kaufen Wert-voll ist …
Kaufen muss nicht nur einem selber dienen. Am schönsten ist es doch, wenn ein Kauf für Viele einen Wert hat. Faire Unternehmen wie FOLKDAYS suchen auf der ganzen Welt nach traditioneller Handwerkskunst und stellen diese Produkte unserer schnelllebigen Gesellschaft entgegen wie ein tiefer, ruhiger Atemzug.
FOLKDAYS unterstützt somit kleine Handwerksbetriebe und deren traditionelle Herstellungsverfahren, sowie einen Markt mit fairen Arbeitsbedingungen und Wachstumschancen in Entwicklungsländern.
Lasst uns selber bestimmen wer uns berieseln darf!
Fair und nachhaltig sind längst das neue “kleine Schwarze”. Das Tommy Hilfiger und Co. Image — teure Marke und trotzdem geizig bei der Produktion, empfinden wir als nicht mehr zu rechtfertigen. Auch der Billigmode Einheitsbrei wird langsam fade. Geiz ist eben nicht mehr geil (war es eigentlich auch nie).
Aber faire und nachhaltige Kleidung ist nicht allgegenwärtig, wie die Kommerz-Ketten. Warum eigentlich?
Werbung und Werbeflächen sind sehr teuer. Faire & nachhaltige Labels sind nur mit Recherchen zu finden und noch lange nicht selbstverständlich in unseren Alltag eingebunden. Was noch viel schlimmer ist — dass das aufdringliche Marketing der Kommerz-Ketten (die, dank Billiglöhnen und unmenschlichen Arbeitsbedingungen in Entwicklungsländern, ja genug Geld für ihre Werbung übrig haben) die fairen Labels an den Rand der Aufmerksamkeit und damit raus aus unserem Alltag drängen. Die Litfaßsäulen und Werbeflächen unserer Städte attackieren unsere Augen immer mit den üblichen Verdächtigen.
Damit sich das ändert, sollten wir die fairen Firmen zurück in unsere Wahrnehmung bringen um sie letztendlich mit unserer Kaufkraft zu unterstützen. Wie machen wir das? Helft Ihnen, sich euch sichtbar zu machen — abonniert ihre Newsletter, folgt und teilt auf Facebook und co. So nehmen wir die Gestaltung der Welt in unsere Hände.
Für den schnellen Anfang, klickt euch doch einfach mal durch diese Liste an tollen Labels bzw. “no Labels”:
- Wir lieben nudie jeans Label, die punkigen Klamotten mit fairem Mindset
- Bei dem Berliner Label Folkdays gibt es nicht nur wunderbare Kleidung sondern auch Wohnaccessoires
- Wie oben schon erwähnt die Kleiderei
- Faire Kleidung und Rucksäcke von FjällRäven & deuter
- Kultige Sneakers – fair, recycled und super schön von Veja (gibt es auch über den Avocadostore, der auch immer eine gute Adresse ist!)
- Kreative Klamotten und mehr bei dem deutsch-indischen Jyoti
- Selbstverständlich dürfen die Armed Angels nicht fehlen
- Unterwäsche bei erlich Textil
- Schöne Basics aus faszinierenden Materialien bei Funktion + Schnitt aus Köln
- Kuyichi kultig und rockig
- Verschiedene kleine und größere Labels alle fair + Yoga Ausrüstung alles bei Glore
- Blutsgeschwister & die Rote Zora – bunte Muster und süße Schnitte für Rockabilly bis Surf Girls alles dabei
- Second Hand wie – Kleiderkreisel, True Vintage sowie in euren Städten
- BrandLess – die Qual der Wahl hat ein Ende. Hier gibt es nur 2 Produkte: weiße T-Shirts & schwarze T-Shirts
- Rêve en Vert Fair Fashion
- Bequeme Basics bei Continetal Clothing
- Mehr Sneakers von Robey
- Outdoor Kleidung von Jack Wolfskin & Patagonia
- Für Fashionistas – Acne Studios
- Vegane Schuhe bei Avesu
Zusätzlich als Tipp
der beste Einkaufsführer für faire und nachhaltige Mode der Region ist “Buy Good Stuff” – hier kann man sich einen generellen Überblick verschaffen oder sich ganz gezielt im Stadtführer für Köln oder Bonn informieren.
Außerdem … wunderschöne Möbel bei Grüne Erde oder vielleicht habt ihr sogar Lust eure Möbel selber zu bauen? Anleitungen gibt es bei Hartz IV Möbel.
Ihr wollt selber ein faires Label gründen?
Ja, dann hilft euch das Fair Wear Foundation Young Designer Programme! Einfach Mail an die hier hinterlegte Adresse schicken http://www.fairwear.org/
Du kennst noch mehr coole, faire Labels? Oder hast gar dein eigenes? Lass es uns gerne wissen!!!
Lesetipp:
- Todschick: Edle Labels, billige Mode – unmenschlich produziert von Gisela Burckhardt, 2014
Quellen
- Ausgabe 7 der Zeitschrift “Müll & Abfall”
- Nabu Magazin Naturschutz heute 3.15
- BR, Faszination Wissen, Recycling
- SWR – Wenn Plastikflaschen zu Fleecejacken werden
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