Alltags Tipps, Fair Fashion
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Fashion für Alle ‒ Teil 1: Was ist Fast Fashion und was habe ich davon?

Fast FashionShoppen. Etwas Schönes. Wir lieben es uns neu zu erfinden, mit den Trends oder dagegen zu gehen. Kleidung macht eben Leute, ist spannend und vielseitig. Was ist daran “Fast Fashion” (deutsch: schnelle Mode), was bedeutet das? Die Art wie wir uns anziehen hat eine lange Historie und gehört zu unserer Kultur. Es ist die Haut, die wir uns aussuchen können. Eine Möglichkeit uns auszudrücken und etwas zu kommunizieren, bevor man auch nur ein Wort gesprochen hat.

Das ist der Teil den wir sehen

Das fertige Produkt, wofür es steht und was es aus uns macht. Das ist unsere kleine Blase, unsere Wahrnehmung von Mode. Zumindest war es bei mir lange so. Wir sind das Zentrum unserer Fashionwelt, es darf sich dabei alles um uns drehen.

Was wir nicht sehen, ist die lange Reise der Entstehung von Kleidung, bevor sie auf dem Werbeplakat oder im Schaufenster erscheinen und in unser Leben tritt. Das hat einen Grund, der mehr mit uns zu tun hat als wir glauben und weniger als er sollte.

Fast Fashion – das Wegwerfformat

Seit der Jahrhundertwende gibt es eine neue Art von Fashion und zwar Fast Fashion. Wie McDonald’s und Burger King ‒ aber eben in der Kleidungsbranche. Es ist damit Kleidung im Wegwerfformat gemeint. Der Fast Fashion Markt hat die Kleidungsbranche revolutioniert und ist förmlich explodiert. Vorn angeführt von H&M und Zara wurden 2014 rund 100 Milliarden (!!!!!) neue Kleidungsstücke produziert. Im Vergleich ‒ 2017 betrug die Hochrechnung der Weltbevölkerung ca. 7,47 Milliarden Menschen auf der Welt und ca. 70% davon gehören der dritten Welt an (und gehören zum größten Teil nicht zu den Konsumenten). Für alle Kopfrechner: wie viele Menschen kaufen jetzt wie viele Klamotten jährlich?

Die Nachfrage steigt stark und die Preise sinken sogar. Das alles, obwohl doch unsere Rohstoffe begrenzt sind und obwohl doch Menschen viele der aufwändig produzierten Kleidungsstücke noch von Hand herstellen.

Frage an mich und dich: Schon mal ein Kleidungsstück gekauft und es dann nicht getragen?

Ja. Sah geil aus, war günstig, hab’s mitgenommen, und dann war es irgendwie doch unvorteilhaft, oder mein Geschmack änderte sich, oder, oder … es gibt tausend Gründe. Ich finde das ist normal. Ist ja nicht so wichtig .. oooder? Außerdem ‒ der eigene Stil ist ein Prozess … da landet man nicht einfach, sondern arbeitet sich Kleidungsstück für Kleidungsstück vor. Sowas gehört doch dazu.

Laut einer Greenpeace Studie wird aber jedes 5.te Kleidungsstück tatsächlich nie oder nur sehr wenig getragen und landet irgendwann im Müll.

Also bilde ich hier und vielleicht auch du keine Ausnahme, sondern die Regel. Hmm .. dann ist es doch nicht so unwichtig. Allein für Deutschland ergibt das über 1 Milliarde (ja genau – tausend Millionen O_o) Kleidungsstücke jährlich, die quasi völlig umsonst produziert wurden.

Aber dagegen kann man doch gar nichts tun ‒ schließlich weiß man ja vorher nicht, dass man ein Teil nicht tragen wird, sonst hätte man es ja nicht gekauft.

Stimmt, denn Kleidung kann mittlerweile zum Preis eines Kaffees erstanden werden. Klar provoziert das Impulshandlungen ohne wirklich darüber nachgedacht zu haben. Man kauft sich ein Top für einen Abend, genau wie eine Tasse Kaffee. Dann kann es für diesen Abend mal was “Anderes” sein und schwups hat man wieder etwas gekauft, was nur zu einem Anlass passt. Die saisonalen Trends ändern sich so schnell, dass das Top bald schon wieder völlig out ist.

Unser Kaufverhalten wurde uns antrainiert

Das es sehr vielen Menschen so geht ist kein Zufall. Die Fast Fashion Industrie lebt von dieser Idee. Täglich werden wir Bildern und Werbung ausgesetzt in der suggeriert wird, dass bestimmte Anlässe bestimmte Kleidung erfordert, und es uns mit dem Besitz dieser Kleidung super gut gehen wird. Trendy Kleidung sorgt also für eine gute Zeit. Früher gab es 2 – 4 Kollektionen jährlich. Fast Fashion bringt jetzt fast wöchentlich etwas Neues, es gibt bis zu 52 Kollektionen pro Jahr. Das trainiert uns ein ständiges Kaufverhalten an. Und so geht das Geld von vielen, in die Taschen von einigen wenigen.

Ein paar unbekleidete Tatsachen

90% der Kleidung wird im Ausland produziert. Dafür werden Felder bestellt und mit Chemikalien bespritzt, der Stoff wird mit schlechter CO2 Bilanz um die halbe Welt geschickt um verarbeitet zu werden. Die Verarbeitung findet in Drittweltländern statt. Die Industrie sucht sich dabei gezielt Länder raus in denen es praktisch keine Menschenrechte gibt ‒ ohne Gewerkschaften, ohne Mutterschutz oder Freizeitausgleich, ohne Arbeitsschutz und unterhalb des Mindestlohns. Die Arbeiter haben oft keine Wahl, die Regierungen schützen sie nicht, sondern wenden sich im Zweifel sogar gegen sie. Die Fast Fashion Industrie ist, nach der Ölindustrie, der zweit größte Umweltzerstörer. Uns sollte bewusst sein, dass ca. 7.000 Liter Wasser für eine einzige Jeans verbraucht werden. Also so viel wie ein größeres Swimmingpool. Wenn nicht explizit auf dem Kleidungsstück erwähnt steht, dass es fair und nachhaltig produziert wurde, dann ist es unter sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch nicht fair und nachhaltig produziert worden. Wir reden statt dessen von einem wahnsinnigen Umfang von Umweltzerstörung, Schadstoffen (die Textilindustrie setzt rund 3.500 krebserregende, hormonell wirksame oder anderweitig giftig Chemikalien ein) und einem Umgang mit Menschen der sich mit Sklaverei gut vergleichen lässt. Unter Umständen saß eine Frau in Bangladesh und hat genau jenes Teil in harter Arbeit produziert, während ihre Kinder alleine und unterversorgt sind.

Was gibt es für Möglichkeiten?

Nachhaltig und fair produzieren, anstatt Mensch und Natur ausbeuten und unsere Erde zerstören. Das klingt gut und fühlt sich erst Mal wie der natürliche Weg an. Es gibt Firmen, deren Philosophie genau das ist. Diese Firmen und deren Produkte erkennt man z.B. an Siegeln, die u.a. erschaffen wurden, um mehr Transparenz für die Käufer zu schaffen und eine Gegenbewegung in Gang zu setzen. Hier ein paar Beispiele:

  • IVN Best
  • GOTS 
  • Oeko Tex Made in Green (nicht verwechseln mit Oeko Tex Standard 100)
  • Und viele mehr: Cradle to Cradle, bluesign, blauer Engel, EU Ecolabel, Fair Wear Foundation und Fair Trade …

Die Siegel sind wichtig und ein guter Schritt in die richtige Richtung. Aber sie reichen noch nicht aus und sind teuer, denn sie werden nicht einfach nur beantragt. Es geht um regelmäßiges Überprüfen der gesamten Pipeline inklusive Audits eines Prüfers. Wie weit die Prüfung geht hängt vom Siegel ab. Beispielsweise prüft IVN Best, ob der komplette Herstellungsprozess nach Biostandard passiert und nur reine, damit recycelbare Gewebe verwendet werden (also keine Mischgewebe, die sich dann nicht mehr recyceln lassen). Dafür müssen die Auditoren an die Herstellungsorte und sich alles ansehen und prüfen. Dieses spezielle Siegel trifft man selten an, häufiger z.B. das ebenfalls umfangreiche, etwas andere GOTS Siegel. Für Konzerne wäre es kein Problem diese Kosten zu stemmen, aber v.a. sind es die kleinen Mode-Labels, die auf faire, nachhaltige Produktion achten. Für ein kleines Mode-Label, sind die Kosten meist ein Grund sich nicht zertifizieren zu lassen.

Würden H&M und Co. jetzt tatsächlich nur noch nach Öko-Siegel Standard produzieren, dann gäbe es sogar ein Ressourcen Problem. Es gibt zur Zeit nicht genug Möglichkeiten so schnell und so viele nachhaltige Rohware zu produzieren, die der Markt bräuchte um gedeckt zu werden. Also könnte man, wenn man die aktuelle Nachfrage decken will, auch dann nicht anfangen die Fast Fashion Welt auf Bio umzustellen, wenn man es wollte (man könnte sie aber sehr wohl fairer machen). Wie Gandhi schon sagte: Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht genug für jedermanns Gier.

Warum ist die faire und nachhaltige Produktion so schwer?

Eigentlich müsste es nicht so sein, wenn Geld keine Rolle spielen würde. Aber man ist als Käufer mittlerweile gewöhnt, dass ein T-Shirt unter 5 Euro kosten kann. Man sagt, dass ein wirklich fair produziertes bio T-Shirt mindestens 25€ kosten muss um die Kosten zu decken. Das Argument “fair und nachhaltig” verliert an Attraktivität, wenn man abwägt ob man 4 oder 25 Euro für ein einfaches T-Shirt ausgeben möchte. Vor allem wenn man sich bei erster Variante noch viele weitere Sachen leisten kann. Ich habe mich selber dabei erwischt zu denken “ach ja, nur ein Mal”. Aber zur nächsten Gelegenheit habe ich leider wieder das gleiche gedacht. Das ist normal, das ist ein Reflex ‒ dafür können wir nichts. Leider ist der Preis für ein 5 Euro Shirt sehr viel höher als wir denken. Es gibt nämlich in Wahrheit nicht so etwas wie “ein günstiger Preis”. Dieser scheinbar gute Deal ist eine Marketing Illusion. Irgendwer zahlt nämlich immer. Nur nicht wir in diesem Moment. Eine Arbeiterin oder ein Arbeiter in einem anderen Land zahlt unsere Rechnung für uns. Und wir bekommen nichts davon mit. Aber auch wir kommen nicht ungeschoren davon, wir werden noch zur Kasse gebeten. Denn wir zerstören unseren Planeten, unsere Mutter Erde und übergeben die Quittung der nächsten Generation.

Du bist nicht Schuld!

Es ist nicht OK, dass die Fashion Industrie sich hinter den Konsumenten versteckt, nach dem Motto “ihr müsst es ja nicht kaufen”. Nein, müssen wir nicht. Aber selbst wenn ‒ es kann absolut nicht die Schuld der Konsumenten sein, dass die Mode-Labels Menschen wie Sklaven ausbeuten, die Natur rücksichtslos zerstören, sich das Geld in die eigenen Taschen wirtschaften, davon nichts abgeben und auch nicht die Schäden reparieren, die sie verursachen.

Konsum & Kapitalismus

Der Kapitalismus ist ein System, welches von dem Prinzip der Gewinnoptimierung lebt. Dieses System, welches auf unendliche Maximierung ausgelegt ist, trifft auf eine Welt mit endlichen Ressourcen. Es ist ein System, welches allein deshalb zum scheitern verurteilt ist.

So lange noch was geht, wird weiter gemacht. Die Frage ist, wie lange geht es so noch weiter? Und die wichtigere Frage ist: Wollen wir wirklich das Limit erleben? Oder sind wir schon da?

Die Umweltschäden sind enorm. Plastikteilchen verteilen sich überall, die Meere sind überfischt, unsere Luft verpestet, das Wasser verseucht, die Lebensmittel voll Pestizide, die Müllberge wachsen uns über den Kopf und zersetzen sich nicht …

In der Fashion Industrie wurde bereits das Limit überschritten

An keinem anderen Tag ist es so wichtig gemeinsam ein Zeichen zu setzen, wie zum 24. April, dem Gedenktag an das Rana Plaza. Im Jahr 2013, dem umsatzstärksten Jahr für die Fast Fashion Industrie welches es je zuvor gab, ereigneten sich gleich mehrfach schreckliche und vermeidbare Unglücke. Das schwerste war der Einsturz des 8-stöckigen Rana Plaza in dem 1135 Menschen starben und 2438 Menschen zum Teil schwer verletzt wurden. Bei Recherchen zu dem Thema, wird ein empathischer Mensch innerlich zerfressen vor Mitgefühl und Wut auf die Ungerechtigkeit, die hier passiert ist. Es ist auch ein Schauplatz von vielen Akteuren und Ereignissen, und ist deswegen nicht auf zwei Sätze herunter zu brechen. Die Fabrikarbeiter haben auf Risse in den Wänden hinwiesen und wurden zum Weiterarbeiten gezwungen, bevor das Rana Plaza einstürzte. Die Angehörigen der Opfer erhielten nur auf Druck eine kleine Entschädigungssumme, wenn überhaupt. Nur mit viel Widerstand haben sich 17 Mode-Labels bereit erklärt eine Opferentschädigungssumme auszuzahlen. Es gab und gibt zu wenig Unterstützung für die Opfer und deren Angehörigen wie etwa die Kinder, die ihre Mütter in dem Unglück verloren haben. Der Hohn ist: Es hat sich fast nichts geändert. Genau wie an der Börse nach der Weltwirtschaftskrise. Man hat einige Säue durchs Dorf gejagt und sinnbildliche Sündenböcke verhaftet. Es wurden einige “Good Will” Prinzipien ausgesprochen und dann geht alles weiter wie zuvor.

Rana Plaza ist vielleicht das bekannteste Unglück seiner Art, aber längst nicht das einzige. Die Textilfabrik, die Umweltschäden, Global Warming … das sind die neuen Symbole einer Kapitalistischen Gesellschaft.

Knusper, knusper Knäuschen…

An der Ware die wir in vielen Schaufenstern sehen klebt das Blut dieser Menschen. Wir sind wie Hänsel und Gretel auf die böse Hexe und ihr Lebkuchenhaus hereingefallen. Nur statt böser Hexe sind es in dem Fall die Industriegiganten der Fast Fashion Industrie, 2015 mit einem Absatz von 1,8 Billionen (also 1800 Milliarden!!!) Dollar. Hier muss ich der bösen Hexe mal beiseite stehen ‒ sie begnügt sich immerhin mit 2 Menschen und nutzt sie nur zum eigenen Bedarf. Das ist ja völlig harmlos, im Vergleich: Für die Fast Fashion Industrie arbeiten immerhin zwischen 60 – 74 Millionen Menschen und davon sind ¾ weiblich. Da nehm’ ich lieber die Hexe in Kauf.

Seid ihr auch wütend? Ich bin es.

Du und ich sind Mitspieler in diesem Spiel. Wir müssen aber nicht mitspielen und nicht an dem Lebkuchenhaus naschen.

Unsere Macht ‒

unsere Kaufkraft! Wir entscheiden wohin wir unser Geld geben. Wir haben auch das Recht uns über diese Ungerechtigkeit zu beschweren. Wir können laut und unbehaglich werden.

Seit dem Rana Plaza Unglück zum Beispiel findet jedes Jahr in der Zeit um den 24.sten April die “Fashion Revolution” Bewegung statt, zu der jeder beitragen kann. Hier fordern wir die Mode-Labels via der Sozialen Netzwerke dazu auf, uns Auskunft darüber zu geben, wer die Kleidung macht, die sie verkaufen.

Ich möchte aus dem Ohnmachtsgefühl ausbrechen. Es gibt Dinge die wir tun können. Es gibt Möglichkeiten der Fast Fashion den Rücken zu kehren ohne dass wir verzichten müssen und können dabei immer noch coole Klamotten tragen.

Ich möchte von etwas Wunderbarem berichten

… das gibt es nämlich auch. Früher war es populärer und jetzt wurde es wiederentdeckt und entstaubt. Was das ist, erfahrt ihr in “Fashion für Alle ‒ Teil 2: Was ist Slow Fashion und was habe ich davon?” in den kommenden Tagen.

Ich freue mich auf eure Neugierde. Bis dann, lasst uns gemeinsam dran bleiben!

Wer sich aber weiter mit dem Blick hinter die Kulissen beschäftigen möchte, dem empfehle ich die Netflix Dokumentation “The True Cost” und mal bei unseren Buchempfehlungen, oder folgenden Quellen zu stöbern.

Und zum Schluss noch ein Event Hinweis

Vom 12. Oktober ’18 bis zum 24. Februar ’19 findet im Rauthenstrauch-Joost-Museum in Köln eine Sonderausstellung statt: Fast Fashion. Die Schattenseiten der Mode. Für alle Interessierten, hier gibt es mehr Infos.

Quellen:


OG

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